2014.09 - Fès
Fès entdecken: Vom Luxus vergangener Zeiten zur Schönheit des Verfalls
Unser Zuhause auf Zeit in Fès ist das kleine, aber feine Hotel Riad Boujloud. Zugegeben, es ist etwas teurer als andere Unterkünfte, aber das hat seinen Grund: Es gibt nur drei Zimmer, und einer der Besitzer - ein hier lebender Franzose - führt uns täglich zu versteckten Schätzen der Stadt, die man sonst wohl kaum entdecken würde. Das Hotel selbst ist ein Traum: Mit seinen kunstvollen Verzierungen und dem maurischen Flair fühlen wir uns fast wie in der Alhambra. So charmant und einzigartig ist dieser Ort, dass wir kurzerhand drei Nächte bleiben - und es keine Sekunde bereuen.
Der Glaoui-Palast: Ein vergessenes Märchen aus Tausendundeiner Nacht
Fès ist eine Stadt der Geschichten, und eine davon erzählt der Palast "Glaoui". Einst residierte hier der Gouverneur von Fès, und der Reichtum, der damals in diesen Mauern steckte, muss gewaltig gewesen sein. Heute wird der Palast von den Nachkommen der ehemaligen Diener bewohnt. Gegen ein bescheidenes Eintrittsgeld kann man das Anwesen besichtigen und sich auf eine kleine Zeitreise begeben. Doch der einstige Luxus und Prunk, der einst dazu diente, Macht und Reichtum zur Schau zu stellen, verfällt langsam aber sicher. Unser Segelfreund Chris hat einmal gesagt: "Nichts ist für die Ewigkeit gebaut." Zwar meinte er damals eher Schiffsbauteile, aber hier in Fès wird diese Weisheit auf ganz eigene Weise bestätigt. Der Palast Glaoui ist ein stiller Zeuge vergangener Pracht - und ein Beweis dafür, dass selbst die grandiosesten Bauwerke irgendwann der Zeit zum Opfer fallen.
Die Glaoui-Familie, die einst über den Süden Marokkos herrschte, hat hier ein architektonisches Meisterwerk hinterlassen. Das Areal des Palastes umfasst stolze 13.000 Quadratmeter und beherbergt 17 Häuser mit über 1.000 Zimmern, 4.000 Türen und Fenstern, zwei große Gärten, einen Friedhof, maurische Bäder, eine riesige Backstube und natürlich eine Garage. Jedes Zimmer ist ein Unikat - ein Zeugnis der kunstvollen Handwerkskunst und des extravaganten Geschmacks seiner Bewohner.
Doch nach dem Tod des fürstlichen Inhabers konnten sich die 20 Erben nicht auf die Zukunft des Palastes einigen. Und so verfällt dieses einst so stolze Anwesen langsam, aber unaufhaltsam. Die Gärten verwildern, die Mauern bröckeln, und der Glanz vergangener Tage verblasst. Die Stadt Fès bot vor einigen Jahren 400.000 Euro für den Palast, doch aus dem Deal wurde nichts. Schade, denn dieser Ort verdient es, wieder zum Leben erweckt zu werden - als Fenster in eine längst vergangene, aber faszinierende Zeit.
Ähnliche Eindrücke hatten wir schon in Mandawa und Fatehpur in Indien, wo ebenfalls prunkvolle Paläste langsam aber sicher von der Natur zurückerobert werden. Es ist faszinierend und ein wenig melancholisch zugleich, diese Orte zu besuchen - als würde man durch ein offenes Geschichtsbuch wandern, dessen Seiten langsam verblassen.
Ein Spaziergang durch den Souk: Farben, Gerüche und traditionelles Handwerk
Unser nächster Stopp in Fès ist der berühmte Souk - ein Labyrinth aus engen Gassen, bunten Ständen und einem Gewirr von Gerüchen, das uns sofort in seinen Bann zieht. Hier pulsiert das Leben, und jeder Schritt offenbart neue Eindrücke. Unser Ziel ist eine der traditionellen Färbereien und Gerbereien, von denen es in Fès mehrere gibt. Diese Handwerksbetriebe sind nicht nur ein wichtiger Teil der Stadtgeschichte, sondern auch ein faszinierendes Schauspiel für die Sinne.
Schon von Weitem erkennen wir die großen, mit bunter Flüssigkeit gefüllten Bottiche, die wie ein riesiges Farbpalett in der Sonne glänzen. In mühsamer Handarbeit werden hier Tierhäute gegerbt und in leuchtende Farben getaucht - ein Prozess, der seit Jahrhunderten nahezu unverändert geblieben ist. Die Arbeiter stehen bis zu den Knien in den Farbbottichen und bearbeiten die Häute mit einer Mischung aus Präzision und Kraft, die nur jahrelange Erfahrung hervorbringen kann. Die Farben sind so intensiv, dass sie fast unwirklich wirken: Sattes Rot, tiefes Blau, leuchtendes Gelb - ein Fest für die Augen, auch wenn der Geruch von Leder und Gerbstoffen etwas gewöhnungsbedürftig ist.
Es ist beeindruckend zu sehen, wie viel Handarbeit und Geduld in jedem einzelnen Stück Leder steckt. Und während wir zuschauen, wird uns klar, warum Fès seit jeher für seine hochwertigen Lederwaren bekannt ist. Dieser Ort ist nicht nur eine Werkstatt, sondern ein lebendiges Museum traditionellen Handwerks - und ein Beweis dafür, dass einige Dinge die Zeit überdauern.
Bab Boujloud: Das blaue Tor zur Medina von Fès
Das Bab Boujloud ("Bab" bedeutet "Tor") wurde 1913 restauriert und ist seitdem einer der Haupteingänge in die Medina von Fès. Es ist nicht nur ein architektonisches Highlight, sondern auch ein Symbol für den Übergang zwischen der modernen Welt und dem historischen Herz der Stadt. Die leuchtenden Mosaike und kunstvollen Verzierungen machen es zu einem beliebten Fotomotiv und einem eindrucksvollen ersten Eindruck der Medina.
Ein Besuch hier ist wie das Aufschlagen eines Buches - jede Gasse, jedes Gebäude und jeder Blick erzählt eine neue Geschichte. Rund um das Tor drängen sich junge und ältere Männer, die sich als Stadtführer anbieten. Ihr Angebot ist verlockend, doch wir entscheiden uns, die Medina auf eigene Faust zu erkunden.
Die engen Gassen sind ein Labyrinth aus Gerüchen, Farben und Geräuschen. Die Auslagen der Geschäfte quellen über vor Waren - handgefertigte Lederwaren, kunstvolle Keramik und duftende Gewürze füllen jeden verfügbaren Zentimeter. Doch nach einer Weile lässt die anfängliche Faszination für die oft ähnlichen Artikel nach.
Zum Glück gibt es in der Medina noch so viel mehr zu entdecken: verfallene Paläste, die Geschichten vergangener Zeiten erzählen, die berühmten Gerbereien, in denen Leder in leuchtenden Farben gefärbt wird, und natürlich die hervorragenden Restaurants, die uns mit marokkanischen Köstlichkeiten verwöhnen.
Der Mokri-Palast: Luxus, Liebe und ein Hauch von Verfall
Unser nächster Stopp in Fès ist der Mokri-Palast - oder besser gesagt, das, was davon übrig ist. Dieses verfallene Juwel war einst der Frauenteil des Palastes, und schon beim Betreten kann man erahnen, in welchem Luxus die Oberschicht damals lebte. Die prachtvollen Säulen, die kunstvollen Verzierungen und die weitläufigen Räume zeugen von einer Zeit, in der Reichtum und Macht keine Grenzen zu kennen schienen.
Interessanterweise lebten hier nur die drei Frauen des Herrschers - allerdings in Begleitung von jeweils etwa zehn Konkubinen. Man könnte fast meinen, der Palast sei ein Ort der Harmonie gewesen, aber wir können uns gut vorstellen, dass das Zusammenleben so vieler Frauen unter einem Dach nicht immer einfach war. Doch wie heißt es so schön? "Arbeit macht Spaß, auch wenn’s viel ist" - und offenbar galt das damals auch für die herrschende Klasse. 😉
Heute ist der Palast ein Ort der Stille und des Verfalls. Die einst prunkvollen Räume sind gezeichnet von der Zeit, und die Wände erzählen Geschichten von vergangenem Glanz. Es ist faszinierend und ein wenig melancholisch zugleich, durch diese Hallen zu spazieren und sich vorzustellen, wie das Leben hier einst pulsierte. Der Mokri-Palast mag verfallen sein, aber er bleibt ein beeindruckendes Zeugnis einer längst vergangenen Ära - und ein Beweis dafür, dass selbst der größte Luxus irgendwann der Zeit weichen muss.